Antwort von Gott

Katja Lutz

Aktivistin & Web Developer

Gedankengewitter
26.09.2025

Während meiner Kindheit besuchten meine Mutter, meine Schwester und ich regelmässig die heiligen Hallen der Kirche. Damals begann ich die Bibel zu lesen und zu Gott zu beten. Ich schloss Jesus tief in mein Herz. Doch mit meinem Älterwerden häuften sich immer mehr Fragen. Wieso ist das alles so kompliziert? Wieso spricht Gott über ein vergängliches, nicht stets zugängliches, zensierbares, missverständliches Medium zu den Menschen, in einer Sprache die nicht jeder Mensch spricht? Der Gedanke, dass nicht jeder Mensch Zugriff auf die Bibel hat, ja dass es Menschen gibt, die noch nie von der Bibel gehört haben und es auch nie werden, erschien mir ungerecht. Gott mag wohl vieles sein, aber sicher nicht ungerecht. Damit jedoch nicht genug: Wie kann es sein, dass Gott die Sklaverei, den Faschismus, die Weltkriege und viele weitere Teufeleien zugelassen hat und Gebete zur Vereitelung dieser barbarischen Krisen nicht erhört hat, während Gott scheinbar, alltägliche Gebete erhört, die im Vergleich zu diesen Krisen absolute Nichtigkeiten sind? Wieso hat Gott den Engeln die Möglichkeit gegeben schlecht zu sein? Und falls diese Möglichkeit derart wichtig ist, wieso soll dann am Ende der Zeit plötzlich alles für immer und ewig gut sein, ohne Tod, Schmerz und Trauer? Gott ist bekanntlich allmächtig, wieso überspringt Gott nicht das Elend und geht direkt über zur heiligen Zeit? Und überhaupt: wieso will Gott mir einfach keine Antwort auf diese Fragen geben?

Fragt man die Kirche nach Antworten auf diese Fragen, erhält man in der Regel ein "Gottes Wege sind unergründlich, stelle Gott nicht in Frage, glaube und lies die Bibel!". Aber diese Antwort warf für mich nur eine weitere Frage auf: Wieso soll ich glauben, wieso nicht wissen? Da mir all diese Fragen keine Ruhe liessen, verfiel ich irgendwann dem Agnostizismus, also der Anschauung, dass Gott existieren könnte, dies aber nicht bewiesen werden kann. Auf dieser Basis öffnete ich meinen Geist für neue Gedanken und beschäftigte mich mit anderen Religionen, Glaubensansätzen und auch mit der Wissenschaft. Wo viele Christen befürchten, sofort vom Teufel heimgesucht zu werden, falls sie sich nicht ausschliesslich mit der Bibel beschäftigen, so wusste ich, dass mich Gott auf meiner Reise beschützten würde, falls Gott existiert. Auch war mir klar, dass sollte Gott nicht existieren, müsste ich mich auch nicht vor dem Teufel fürchten. So war ich frei im denken und dachte nach, über alles. Beim Nachdenken über den Anfang und das Ende der Zeit viel dann irgendwann der Groschen.

Was wenn Gott mir längst eine Antwort gegeben hat, was wenn Gott jedem Menschen längst eine Antwort gegeben hat, wenn wir einfach nicht hinhören wollen, weil uns die Konsequenzen dieser Antwort nicht gefallen, weil sie der Kirche und dem Staat nicht gefallen? Heute weiss ich, würde die Menschheit wissen wollen, dass Gott existiert, könnte sie es. Ein Gedankenexperiment:

Definiere dass Gott alles ist, alles was jemals war, was jemals sein wird, die Zeit, die Leere, die Fülle, die Materie, die Gravitation, die Energie und die in ihr wohnende Anziehung und Abstossung, Liebe, Hass, einfach alles. Du kannst diese Definition akzeptieren oder sie ablehnen. Gott ist damit nicht länger eine Glaubensfrage, sondern eine Entscheidung. Entscheidest du dich diese Definition zu akzeptieren, weisst du mit 100% Sicherheit, dass Gott existiert, denn du existierst. Würde Gott nicht existieren, wäre alles nichts, dann gäbe es auch nicht diesen Moment und du würdest nicht diesen Text lesen. Möchtest du Gott kennenlernen, brauchst du also nicht mehr zwingend in die Kirche zu gehen oder die Bibel zu lesen. Du kannst in den Wald gehen, und wenn du Bäume siehst, wirst du Gott sehen, wenn du Blätter siehst die von diesen Bäumen fallen, wirst du Gott sehen, wenn du den rauschenden Fluss und die Fische darin siehst, wirst du Gott sehen und selbst wenn dir eine Fliege um den Kopf fliegt, wirst du Gott sehen. Du wirst Gott sehen, wenn du auf dem Weg zur Arbeit in einem Stau stehst, du wirst Gott sehen, wenn du mit deiner Familie zusammen den Feierabend verbringst, oder für dich alleine eine Dose abgelaufene Ravioli kochst. Und falls du dich darin übst, wirst du Gott sogar sehen, wenn du an einer Krankheit verzweifelnd, weinend in deinem Bett liegst und nicht weiter weisst.

Mal angenommen dass Gott tatsächlich alles ist, woher kommt dann dieses Alles, und wohin geht es? Wenn Gott alles beinhaltet was jemals war und sein wird, dann gibt es nichts ausserhalb von Gott, das Alles erschaffen haben könnte - dann kann es rein logisch keine weiteren Götter neben Gott geben. Alles erschafft sich selbst und ist sich sein eigener Zweck. Stell dir vor dass dieses Alles alle Ereignisse mit einschliesst, die überhaupt möglich sind. Der Anfang und das Ende von allem ist dann der Moment, in dem alle Möglichkeiten durchgespielt sind. Danach beginnt unsere Reise von Neuem. Das ist Gottes Ewigkeit. nicht unendlicher Wachstum, wie es sich die moderne Menschheit ersehnt, sondern ein ewiges göttliches Ein- und Ausatmen. Unendlichkeit ist schwer vorstellbar, dabei begegnet sie uns doch jeden Tag in alltäglichen Dingen wie Uhren, Rädern, Gläsern, Ringen und der Sonne. Sie ist ein Kreis, eine Linie ohne Anfang und Ende! Unsere Vergangenheit ist sogleich unsere Zukunft. Diesen Text den du gerade liesst, hast du also bereits in der Vergangenheit gelesen, vielleicht kannst du dich jetzt erinnern, willkommen zurück und auf bald!

Das Universum dehnt sich aus und schrumpft dann wieder in sich zusammen. Dann dehnt es sich wieder aus. Ein Vorgang, der sich ewig wiederholt. Was Ihr nicht wisst ist, wenn sich das Universum wieder ausdehnt, wird alles so sein wie es war. Welchen Fehler Ihr auch gemacht habt, Ihr werdet ihn beim nächsten Mal wieder machen. Jeden eurer Fehler durchlebt Ihr aufs neue, und wieder, und wieder, bis in alle Ewigkeit. Darum lautet mein Rat, es diesmal richtig zu machen, denn ...diesmal ist das einzige Mal.
– Prot (K-PAX 2001)

Doch was ergibt sich daraus, wenn Ewigkeit ein Kreis ist? Versuche einmal einen Kreis zu zeichnen. Ohne jede Bewegung nach Rechts Unten, durch eine Gegenbewegung nach Links Oben auszugleichen, geht das nicht. Damit sich ein Kreis schliessen kann, muss es für jede Kraft in eine Richtung, irgendwann auch eine Gegenkraft in die Andere geben. Der Kreis kann sich also erst schliessen wenn sich Anziehung und Abstossung, Liebe und Hass, Freude und Leid die Waage halten. Gott ist gerecht, das ist Gesetz, aber wir Menschen wollen das nicht wissen. Ob du in deinem Leben "Gutes" oder "Schlechtes" vollbringen willst, ist deine Entscheidung. Gott gibt dir die Wahl. Du wirst für Schlechtes also nicht in einer ewigen Hölle brennen, aber sei dir bewusst, dass du auf ewig dazu verdammt sein wirst, Schlechtes zu tun. Wir Menschen mögen nach dem Ebenbild Gottes erschaffen sein, wir können Gutes und Schlechtes tun, aber die vollkommene Gerechtigkeit ist Gott vorbehalten.

Wenn das alles derart harmonisch und logisch ist, wieso wollen wir Menschen nicht wissen dass Gott existiert und lieber glauben? Tja, wenn Gott wirklich alles ist, dann ist Gott nicht nur das "Gute", sondern auch das "Schlechte". Dieser Gedanke missfällt uns, obwohl er auch in der Bibel bestätigt wird: Gott hat die Engel erschaffen und der Teufel war ein Engel, also hat Gott auch den Teufel erschaffen. Gott ist nicht heilig, weil Gott nur aus dem Guten besteht, sondern weil Gott das Schlechte zulässt, damit das Gute erst möglich wird. Das eine kann nicht ohne das andere existieren, das war schon immer so und wird immer so bleiben.

Und im ewigen Kreis dreht sich unser Leben
Dem Gesetz der Natur sind wir geweiht
Wir sind alle Teil dieses Universums
Und das Leben, ein ewiger Kreis.
– Aus dem Songtext "Der ewige Kreis" (Elton John & Tim Rice)

Aber der moderne Mensch will keinen Kreislauf, er will wachsen, immer mächtiger werden und das ganze Universum unterjochen. Würde er sich hingegen eingestehen, dass alles ein Kreislauf ist, müsste er erkennen, dass all seine Bestrebungen nach "Fortschritt" und "Allmächtigkeit" völlig sinnlos sind und dass er sich besser darin täte, den Frieden der Gegenwart zu geniessen, anstatt sich mit dem vergeblichen Anspruch nach mehr Sicherheit, für ewig zu bekriegen. Würde der Mensch sich eingestehen, dass alles ein Kreislauf ist, dann würde er mit dem Leben nicht warten bis er stirbt und er würde nicht auf den Himmel warten, sondern ihn hier auf Erden verwirklichen. Dazu braucht es keinen willkürlichen, selbstherrlichen Staat und Zwang, sondern Güte und Vertrauen in Gottes unvermeidliche Gerechtigkeit.